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Donnerstag, 2. Februar 2012

Evas Glückseligkeit

Alles war dunkel. Nur ein paar Funken, die von irgendwo weit weg, von oben, kamen fluteten ein paar glänzende Lichter zu ihr hinüber. Sie stand da. Langes wallendes Haar hing bis zur Hüfte hinab. Tags steckte sie es zusammen, so gut sie konnte, um nicht verletzt zu werden. Doch des Nachts hing es in ganzer Fülle hinab und bedeckte Schultern und Rücken. Mehr muss man zu ihr nicht sagen. Die Farbe des Haars? Nun. Nachts sind alle Katzen grau, wie man sagt. Es hat nichts zu sagen. Ihre Haut? Sie hat die Farbe des Schattens, denn auch das ist bedeutungslos. Ihre Bekleidung? Nichtig. Es spielt keine Rolle, aber die Blöße ist bedeckt. So viel sei gesagt. Ihre Erscheinung spielt keine Rolle. Klar ist, dass sie dasteht und hin und her schaukelt. Sie ist nicht in Trance, auch wenn sie vor sich hin summt. Sie ist nicht vom Wahnsinn befallen, denn sie ist glückselig.

Sie liebt einen Mann, der noch keiner ist. Einst wird er einer werden, doch auch dann liebt sie ihn nicht wie einen Mann und auch überhaupt nicht wie einen Menschen. Sie liebt ihn wie einen Engel.
Sie fühlt sich wie im Paradies, auch wenn sie dahin dem Lebzeitigen nicht mehr gelangen wird. Doch ist sie da, auch wenn sie im Dunklen steht. Ihre Augen sind aufgetan und doch hält sie das unwissende und glückselige Heil, wie es paradiesischer nicht sein kann. „Es gibt nichts Schöneres“ stellt sie in Gedanken fest. „DAS ist das, wofür ich existieren soll.“ Und das Paradies? Das kommt wohl irgendwann, wenn sie aufhört zu sein. Doch noch ist sie. Und sie muss sein um für diesen, der noch kein Mann ist, der gerade zu sein begann, als Schutzengel zu agieren.

Sie horcht in die Stille der Nacht und zieht das Wärmende noch fester um den Leib. Sie sind abgedeckt und umhüllt, wonnig und warm und unendlich friedlich. Würde sie diesen Moment anhalten? Auf jeden Fall. In einen Stein würde sie jenes Bild meißeln. In den Sand würde sie jene Gefühle malen. Oben, weit oben, weiter als der Himmel ist, würde sie diesen Augenblick ausstellen und ihn betrachten und bewundern und sich an ihm ergötzen, so oft sie nur kann und will. Doch weiß sie, dass auch das nicht für immer sein kann. Andere werden nach ihr kommen, lange lange, wenn sie nicht mehr ist. Auch sie werden diese Glückseligkeit erfahren, sie belächeln und beweinen – vor Glück – und es lieben, lieben, lieben, auch eine Mutter zu sein.

Noch ein Mal horcht sie in die Stille der Nacht. Der Mann schläft auf der Schlafstätte, er kann jenes Glück nicht ein Mal annähernd ahnen. Sie schaukelt weiter. Endlich, so lange hat sie auf den Lichtfunken gewartet. Und nun tut sich am nächtlichen Himmel etwas auf. Die Wolken ziehen vorbei und der Mond scheint auf das Gesicht des Kindes. Da glaubt sie, es geht nicht noch schöner und dann passiert das. Nun glaubt sie wirklich abzuheben und davon zu fliegen. Denn so viel Glückseligkeit kann doch ein einziges Herz gar nicht fassen. Unwillkürlich muss sie lächeln. Unentwegt. Sie lächelt herab zu dem Wunder in ihren Armen.

Erneut horcht sie in die stille der Nacht.
Ein Auto fährt vorbei. Hinter dem Fenster flackern die Lichter der Scheinwerfer kurz auf, bevor sie wieder rasch erlöschen. Die Straße ist menschenleer und auch sonst rührt sich draußen nichts. Sie küsst den Säugling. Er duftet so wunderbar nach Kind, nach menschgewordener Liebe und nach dem himmlischen Frieden, welchen so viele herbeisehnen.
„Bestimmt ging es auch der aller ersten Mutter so, dass sie unendlich voll Liebe war“, ging ihr erneut durch den Kopf. Würde sie diesen Moment anhalten? Auf jeden Fall. In eine gläserne Vitrine würde sie diesen Moment stellen und ihn betrachten und bewundern und sich an ihm ergötzen, so oft sie nur kann und will. Doch nur das Herz kann jene Vitrine sein und jenes ist so vergänglich wie sein Wirt. „Irgendwann ist alles nicht mehr. Aber so lange ich lebe, werde ich dich lieben“, flüsterte sie mit innbrünstigster Hingabe.

Morgen muss sie wieder zu Werke gehen. So vieles, worum sie sich kümmern muss. Arbeiten, organisieren, versorgen. Und dann ist in Null Komma nix wieder Nacht. Und dann ging wieder ein Tag ins Land; ungelebt und ungenossen. Das Leben geht so schnell vorbei und das Paradies rückt immer näher. Mit jedem Tag, jeder Sekunde und der Odem des Lebens wird mit jedem Atemzug weniger. Es ist wie in einer Sanduhr, die Körnchen für Körnchen unwiderruflich entbehrt.

Das Kleine schläft nun ganz tief und fest. Sie könnte es nun wieder in die hölzerne Wiege, mit den gelben Schleifen und der Decke mit den schlummernden Teddy-Bären und Sternchen, legen. Aber sie wiederholt in Gedanken das eben Gedachte und beschließt, dass sie das Kind noch bald genug aus dem behüteten warmen Nest der mütterlichen Umarmung geben muss. Daher beschließt sie, es noch eine viertel Stunde länger, vielleicht aber auch die ganze Nacht zu wiegen und ein kleines Lied dazu zu summen. So lange, bis die ersten Sonnenstrahlen die neugierigen Äugelein öffnen.

by A. alias ©Mami in Pumps

S! Sonnenschein (hier 5 1/2 Monate alt) und ich im August 2011

In diesem Sinne appelliere ich an euer Herz, ihr Lieben. Schaut lieber eine Stunde weniger fern oder  zockt irgendwelche Spiele o.ä. sondern schenkt den größten Schätzen unserer Erde wenigstens ein Stündchen eure ungeteilte und hochgeschätzte Aufmerksamkeit.


Die Mami


PS: Neben meinem Sternchen ist für diese Short Story Mark Twain eine große Inspiration für mich gewesen. Sein Werk Die Tagebücher von Adam und Eva ist Weltliteratur und deswegen (für manche vielleicht eher: dennoch) so unglaublich unterhaltsam.
Damals haben Eugen und ich uns diese gegenseitig vorgelesen und dabei so herrlich gelacht!!!

1 Kommentar:

  1. Wow O.O Das is sau schön (: Gibts auch ned Fortsetzung süße?

    Elena <3

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