Alles war dunkel. Nur ein paar Funken,
die von irgendwo weit weg, von oben, kamen fluteten ein paar glänzende Lichter
zu ihr hinüber. Sie stand da. Langes wallendes Haar hing bis zur Hüfte hinab.
Tags steckte sie es zusammen, so gut sie konnte, um nicht verletzt zu werden.
Doch des Nachts hing es in ganzer Fülle hinab und bedeckte Schultern und
Rücken. Mehr muss man zu ihr nicht sagen. Die Farbe des Haars? Nun. Nachts sind
alle Katzen grau, wie man sagt. Es hat nichts zu sagen. Ihre Haut? Sie hat die
Farbe des Schattens, denn auch das ist bedeutungslos. Ihre Bekleidung? Nichtig.
Es spielt keine Rolle, aber die Blöße ist bedeckt. So viel sei gesagt. Ihre
Erscheinung spielt keine Rolle. Klar ist, dass sie dasteht und hin und her
schaukelt. Sie ist nicht in Trance, auch wenn sie vor sich hin summt. Sie ist
nicht vom Wahnsinn befallen, denn sie ist glückselig.
Sie liebt einen Mann, der noch keiner
ist. Einst wird er einer werden, doch auch dann liebt sie ihn nicht wie einen
Mann und auch überhaupt nicht wie einen Menschen. Sie liebt ihn wie einen
Engel.
Sie fühlt sich wie im Paradies, auch wenn
sie dahin dem Lebzeitigen nicht mehr gelangen wird. Doch ist sie da, auch wenn
sie im Dunklen steht. Ihre Augen sind aufgetan und doch hält sie das unwissende
und glückselige Heil, wie es paradiesischer nicht sein kann. „Es gibt nichts Schöneres“
stellt sie in Gedanken fest. „DAS ist das, wofür ich existieren soll.“ Und das
Paradies? Das kommt wohl irgendwann, wenn sie aufhört zu sein. Doch noch ist
sie. Und sie muss sein um für diesen, der noch kein Mann ist, der gerade zu
sein begann, als Schutzengel zu agieren.
Sie horcht in die Stille der Nacht und
zieht das Wärmende noch fester um den Leib. Sie sind abgedeckt und umhüllt,
wonnig und warm und unendlich friedlich. Würde sie diesen Moment anhalten? Auf
jeden Fall. In einen Stein würde sie jenes Bild meißeln. In den Sand würde sie
jene Gefühle malen. Oben, weit oben, weiter als der Himmel ist, würde sie
diesen Augenblick ausstellen und ihn betrachten und bewundern und sich an ihm
ergötzen, so oft sie nur kann und will. Doch weiß sie, dass auch das nicht für
immer sein kann. Andere werden nach ihr kommen, lange lange, wenn sie nicht
mehr ist. Auch sie werden diese Glückseligkeit erfahren, sie belächeln und
beweinen – vor Glück – und es lieben, lieben, lieben, auch eine Mutter zu sein.
Noch ein Mal horcht sie in die Stille
der Nacht. Der Mann schläft auf der Schlafstätte, er kann jenes Glück nicht ein
Mal annähernd ahnen. Sie schaukelt weiter. Endlich, so lange hat sie auf den
Lichtfunken gewartet. Und nun tut sich am nächtlichen Himmel etwas auf. Die
Wolken ziehen vorbei und der Mond scheint auf das Gesicht des Kindes. Da glaubt
sie, es geht nicht noch schöner und dann passiert das. Nun glaubt sie wirklich
abzuheben und davon zu fliegen. Denn so viel Glückseligkeit kann doch ein
einziges Herz gar nicht fassen. Unwillkürlich muss sie lächeln. Unentwegt. Sie
lächelt herab zu dem Wunder in ihren Armen.
Erneut horcht sie in die stille der
Nacht.
Ein Auto fährt vorbei. Hinter dem
Fenster flackern die Lichter der Scheinwerfer kurz auf, bevor sie wieder rasch erlöschen.
Die Straße ist menschenleer und auch sonst rührt sich draußen nichts. Sie küsst
den Säugling. Er duftet so wunderbar nach Kind, nach menschgewordener Liebe und
nach dem himmlischen Frieden, welchen so viele herbeisehnen.
„Bestimmt ging es auch der aller ersten
Mutter so, dass sie unendlich voll Liebe war“, ging ihr erneut durch den Kopf. Würde
sie diesen Moment anhalten? Auf jeden Fall. In eine gläserne Vitrine würde sie
diesen Moment stellen und ihn betrachten und bewundern und sich an ihm
ergötzen, so oft sie nur kann und will. Doch nur das Herz kann jene Vitrine
sein und jenes ist so vergänglich wie sein Wirt. „Irgendwann ist alles nicht mehr.
Aber so lange ich lebe, werde ich dich lieben“, flüsterte sie mit innbrünstigster
Hingabe.
Morgen muss sie wieder zu Werke gehen.
So vieles, worum sie sich kümmern muss. Arbeiten, organisieren, versorgen. Und
dann ist in Null Komma nix wieder Nacht. Und dann ging wieder ein Tag ins Land;
ungelebt und ungenossen. Das Leben geht so schnell vorbei und das Paradies
rückt immer näher. Mit jedem Tag, jeder Sekunde und der Odem des Lebens wird mit
jedem Atemzug weniger. Es ist wie in einer Sanduhr, die Körnchen für Körnchen
unwiderruflich entbehrt.
Das Kleine schläft nun ganz tief und
fest. Sie könnte es nun wieder in die hölzerne Wiege, mit den gelben Schleifen
und der Decke mit den schlummernden Teddy-Bären und Sternchen, legen. Aber sie
wiederholt in Gedanken das eben Gedachte und beschließt, dass sie das Kind noch
bald genug aus dem behüteten warmen Nest der mütterlichen Umarmung geben muss.
Daher beschließt sie, es noch eine viertel Stunde länger, vielleicht aber auch
die ganze Nacht zu wiegen und ein kleines Lied dazu zu summen. So lange, bis
die ersten Sonnenstrahlen die neugierigen Äugelein öffnen.
by A. alias ©Mami in Pumps
In diesem Sinne appelliere ich an euer Herz, ihr Lieben. Schaut lieber eine Stunde weniger fern oder zockt irgendwelche Spiele o.ä. sondern schenkt den größten Schätzen unserer Erde wenigstens ein Stündchen eure ungeteilte und hochgeschätzte Aufmerksamkeit.
Die Mami
PS: Neben meinem Sternchen ist für diese Short Story Mark Twain eine große Inspiration für mich gewesen. Sein Werk Die Tagebücher von Adam und Eva ist Weltliteratur und deswegen (für manche vielleicht eher: dennoch) so unglaublich unterhaltsam.
Damals haben Eugen und ich uns diese gegenseitig vorgelesen und dabei so herrlich gelacht!!!
PS: Neben meinem Sternchen ist für diese Short Story Mark Twain eine große Inspiration für mich gewesen. Sein Werk Die Tagebücher von Adam und Eva ist Weltliteratur und deswegen (für manche vielleicht eher: dennoch) so unglaublich unterhaltsam.
Damals haben Eugen und ich uns diese gegenseitig vorgelesen und dabei so herrlich gelacht!!!
Wow O.O Das is sau schön (: Gibts auch ned Fortsetzung süße?
AntwortenLöschenElena <3